Der für die Presse reservierte erste Tag auf der „Mondial Paris Motor Show“ war hart genug und endete mit den üblichen Blessuren: Platte Füße, müde Beine und ein Durcheinander im Hirn, das die vielen neuen Impressionen zu verdauen hatte. Doch die Arbeit war noch nicht vorbei.
Jetzt hatte uns Hyundai noch angeboten, mit einem Kona Elektro batteriebetrieben die Heimreise anzutreten. Das bedeutete nichts anderes, als die 587 Kilometer vom Ausstellungsgelände an der Porte de Versailles in Paris allein mit Strom als Treibstoff bis zum achten Stock im neuen „The Squaire Parking“-Parkhaus am Frankfurter Flughafen zurückzulegen, wo wir Hyundai das Fahrzeug wieder zurückgeben würden.
Wir, das waren zehn Journalisten in fünf Autos, begleitet von einem Tross an Elektroexperten aus der deutschen Hyundai-Zentrale. Die sollten bei Problemen gleich Hilfestellung leisten. Doch Probleme gab es keine, wie sich später herausstellen sollte.
Auch bei Autos scheint sich die Geschichte bisweilen zu wiederholen. Als in den späten 1970er und frühen 1980er Jahren der Dieselmotor mit seinen geringen Verbräuchen damit begann, sich auch in PKW breit zu machen, versuchte sich die Fachpresse gegenseitig zu überbieten, für wie viele Kilometer etwa der Tank eines solchen Autos wohl im Extremfall reichen würde.
Im Zeitalter der beginnenden Elektromobilität ist Hyundai eines der ersten Unternehmen, die es wagen, eine Probe aufs Exempel zu machen. Ganz nach dem Motto: Wie weit werden die Kilowattstunden der Batterie das Auto wohl tragen? 587 Kilometer in einem Rutsch sind allerdings auch der Papierform nach für einen Kona Elektro mit 205 PS ein ziemliches Ding der Unmöglichkeit – wenn er sich auf der Straße nicht als rollendes Verkehrshindernis präsentieren soll.
So rühmt sich zwar Deutschlands Autozeitschrift mit den großen Buchstaben, dem kompakten Elektro-SUV Kona die beeindruckende elektrische Reichweite von 613 Kilometer mit einer Batterieladung abgetrotzt zu haben. Dieser Wert liegt 131 Kilometer über der Werksangabe von 482 Kilometer nach der neuen WLTP-Verbrauchsnorm. Hätte die Redaktion diesen Versuch – wie wir – auf der französischen A4 zwischen Paris und der Grenze zu Deutschland bei Saarbrücken unternommen, wären ihnen wohl die gallischen Fernfahrer mit der Überzeugungskraft ihres Landsmanns Obelix aufs oder ins Heck gerückt.
Wir hatten uns jedenfalls fest vorgenommen, uns dem Verkehrsfluss so realistisch wie erforderlich anzupassen. Dazu blieb uns auch im Feierabendverkehr auf den ersten Kilometern durch die Pariser Vororte im Stop-and-Go-Verkehr nicht viel anderes übrig. Trotz ständigem Bremsen und neuem Beschleunigen schwankte zu unserer Überraschung der angezeigte Verbrauchswert auf der Instrumententafel ständig rund um den nach der WLTP-Norm angegebenen Durchschnittswert von 14,2 kWh auf 100 Kilometer. Dazu trug natürlich auch bei, dass der Kona Elektro durch regeneratives Bremsen elektrische Energie zurückgewinnt und diese in der 64 kWh großen Lithium-Polymer-Hochvolt-Batterie speichert.
Da es weder unsere Müdigkeit durch den Messebesuch noch die Reichweite der Batterie angebracht erscheinen ließen, die Tour de France noch am gleichen Abend zu vollenden, hatte Hyundai einen Stopp 120 Kilometer östlich von Paris im 3000-Einwohner-Nest Fère-en-Tardenois eingeplant. In der dortigen gleichnamigen Burg, heute ein Hotel, soll Charles de Batz de Castelmore, genannt Comte d’Artagnan, im 17. Jahrhundert bisweilen genächtigt haben.
Wo damals der Anführer der drei Musketiere aus Alexandre Dumas Roman sein müdes Haupt zur Ruhe bettete, durften auch wir eine Nacht verbringen. Grund genug für Hyundai, unserer Aktion den Slogan „Be an electric Musk@teer“ zu verpassen. Am nächsten Tag wurde es dann ernst. Über Nacht mit frischer Energie für Fahrer und Fahrzeug versorgt, ging es wieder auf die A4. Leider mussten wir die Champagne mit ihrer reizvollen Hauptstadt Reims und ihrem noch reizvolleren Getränk, dessen Basis auf den riesigen Rebenfeldern rundum heranwächst, links liegen lassen.
Weniger schade empfanden wir, dass auch Verdun mit seiner blutigen Vergangenheit und den sich anschließenden Ardennen das gleiche Schicksal traf. Wir versuchten nun, die Vorteile der adaptiven Geschwindigkeits-Regelanlage mit Abstandsregelung und Stopp-Funktion des Kona Elektro im Sinne besonders sparsamen Umgangs mit der gespeicherten Energie zu nutzen – und hängten uns einem Fahrzeug ans Heck, das es eher gemütlich angehen ließ. Das brachte uns zwei wichtige Vorteile: Erstens konnten wir den Windschatten des anderen Autos nutzen, zweitens wurde der Fahrer entlastet.
Bremste der Vorläufer, dann bremste unser Kona ebenfalls, beschleunigte der andere, machte unserer das auch. Strom lieferten uns zudem die längeren Gefällstrecken der Autobahn durch die Ardennen, so dass wir uns um den Elektrizitätsvorrat vorerst keine Sorgen machen mussten. Rekuperation (Energierückgewinnung) heißt sowas auf Neudeutsch.
Auf Dauer jedoch ging uns das Hinterherfahren auf den Geist. Schließlich ließen uns die Nerven im Stich, wir wechselten auf die Überholspur und verordneten dem Tempomat die französisch erlaubte Spitzengeschwindigkeit auf Autobahnen von 130 km/h. Das machte sich freilich sofort auf der Verbrauchsanzeige mehr als deutlich bemerkbar. Nun kletterte sie unaufhaltsam in die Höhe und pendelte sich in der Gegend von 16 kWh auf 100 Kilometer ein.
Fazit: Am Ende hatten wir auf der Strecke Paris – Frankfurt im Schnitt 16,2 kWh auf 100 Kilometer verbraucht, hätten also genug Saft für zweimal knapp 400 Kilometer in der Batterie mit ihrer Kapazität von 64,0 kWh gehabt. Bei ganz normaler Fahrweise wohlgemerkt, mit der wir auch ein Auto mit traditionellem Verbrennungsmotor bewegt hätten.
Weil das aber nicht ganz vom Château de Frère Hôtel bis Frankfurt gereicht hätte, legten wir an der Raststätte Goldene Bremm bei Saarbrücken, wo es eine 100 kWh-Schnellladestation gibt, noch einen Zwischenstopp ein. Schon nach einer Dreiviertelstunde ging es wieder weiter. Rechnen wir zusammen: Eine Strecke von 800 Kilometern mit einer vernünftigen Erholungspause zum Schnellladen dazwischen – das reicht meist locker für eine Reise in die Ferien und entspricht zum Beispiel der Autobahn-Distanz zwischen Köln und Mailand.
Und wie steht es mit den Treibstoffkosten? Die würden beim derzeitigen Durchschnittspreis in Deutschland von 0,30 Euro pro Kilowattstunde weniger als 40,- Euro betragen. Für ein dem Kona Elektro vergleichbares SUV mit Benzinmotor wäre mindestens das Doppelte fällig.
Fotos: Auto-Medienportal.Net, Hyundai / Quelle: ampnet, hrr
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