Eine Uhr zu besitzen ist einfach, richtig? Sie legen sie an und sie zeigt Ihnen die Zeit? Nein, ist es nicht. Eine Uhr zu besitzen mag einfach sein, aber Uhrenbesitzer zu sein, ein Uhrenliebhaber, ist eine ganz andere Geschichte.
Wie das jetzt tatsächlich ist, vermitteln die neuen HMS002 und Bicompax 002 von Baltic. Vielleicht kommt Ihnen das eine oder andere davon bekannt vor…
Hessel Ruijgh, Uhren-Enthusiast und Country Manager Germany bei Watchfinder & Co., hat für „Shots“ seltsame Dinge gesammelt.
Sich ohne sie verletzlich fühlen
Man weiß erst was man hatte, wenn man es verloren hat, sagt ein Sprichwort – und bei Uhren ist das nicht anders. Vielleicht haben Sie es eilig zur Arbeit zu kommen, Sie hatten Ihre Schlüssel verlegt und Ihr Hund ist gerade krank geworden, und nach der ganzen Aufregung setzen Sie sich endlich in Ihr Auto und stellen fest, sie ist weg. Ihre Uhr ist nicht an Ihrem Handgelenk. Nur Haut.
Durch das Fehlen des vertrauten Gewichts der Uhr fühlt man sich nackt und entblößt. Der fast unmerkliche Unterschied, den es auf Ihre alltäglichen Bewegungen hat, ist so spürbar, als hätte man Ihnen die ganze Hand abgenommen.
Warum ist das so? Warum hat es eine so tiefgreifende Wirkung? Vielleicht von Schuldgefühlen angetrieben? Oder von Minderwertigkeitskomplexen?
Nein, ich denke, es ist ein Gefühl der Kontrolle, oder vielmehr des Kontrollverlusts, dass etwas so Normales und Vertrautes aus dem Lot geraten ist, und der Schock, dass man das zugelassen hat. Es ist ein winziger Ausrutscher im Griff der Realität, an den sich die meisten von uns ohnehin verzweifelt klammern. Erst die Uhr, dann… …wer weiß. Unsere Vernunft?
Unfreiwillige Anatomie-Nachhilfe
In jedem Alter des Lebens wird es immer etwas Neues an seinem Körper zu entdecken geben. Ob es ein neuer Leberfleck ist – lassen Sie ihn untersuchen, wenn er uneben ist oder nebenbei seine Form oder Farbe ändert –, eine Bewegung, von der Sie nicht wussten, dass Sie sie tun – oder nicht mehr – können, oder einfach nur die allmähliche Sorge eines fortschreitenden Verfalls: Unser Körper überrascht uns immer wieder.
Wenn Sie zum Beispiel kein Uhrenliebhaber (bzw. kein Mediziner oder Sportler) sind, denken Sie nur wenig über Ihr Handgelenk nach. Es ist der Punkt, wo Arm zur Hand wird, unauffällig – es ist einfach da und tut, was es tut.
Kaufen Sie jedoch eine Uhr, ändert sich das. In Ihrem Kopf stellten Sie sich vor, dass Ihr Handgelenk so aussieht, wie die Cartoon-Zeichnung eines Knochens, schön symmetrisch und gleichmäßig. Das hält allerdings nur an, bis Sie eine Uhr daran befestigen und feststellen, dass das weit weg von der Wahrheit ist.
An der Außenseite befindet sich nämlich ein knöcherner Knubbel, der der Erzfeind der bequemen Armbanduhr ist. Trage ich die Uhr links oder rechts davon?
Links ist sie eher eine Arm- als eine Armbanduhr, rechts sind Sie wie Leonardo DiCaprio in einer Tag-Heuer-Werbung – der dafür bekannt ist, die Uhr auf den Werbeplakaten um die Hand, statt um den Arm zu tragen. Legen Sie sie direkt auf den Knochen und – oh nein, tun Sie das nicht.
Auf die Uhr schauen, aber die Zeit nicht sehen
Wenn wir wollten, dass Uhren nur die Zeit anzeigen, würden wir nicht ein Vielfaches unseres monatlichen Gehaltsschecks dafür ausgeben. Der Job kann gut und sogar besser von einer Uhr erledigt werden, die so viel kostet wie eine Armbandanpassung bei der, mit der Sie schon seit langem liebäugeln. Warum würden Sie sie also lieber haben? Weil sie schön ist.
Das ist keine vernünftige Rechtfertigung für den Kauf von etwas mit einem so hohen Kosten-Größen-Verhältnis – Preisdichte, wenn Sie so wollen –, aber es führt zu etwas, das dem Besitzer einer Luxusuhr eigen ist: Zahlenblindheit.
Wenn Sie eine Apple-Uhr oder eine Casio oder etwas Praktisches tragen, läuft der Prozess des Ablesens der Zeit ungefähr so ab. Sie denken: „Wie spät ist es?“, Sie schauen auf die Ziffern auf Ihrer Uhr und dann wissen Sie die Zeit. Das ist die Art und Weise, wie der Durchschnittsmensch vorgeht und sollte womöglich auch richtig sein.
Wir nicht. Wir beginnen auf die gleiche Art und Weise, fast ununterscheidbar von Ihrem typischen Ottonormalverbraucher, aber wenn es zur Phase des Hinschauens kommt, fängt alles an, schief zu laufen.
Anstatt die Zeit abzulesen, schauen wir auf die Uhr, denken: „Schöne Uhr“, und stellen die Uhr wieder auf Position A zurück, das ursprüngliche Ziel dabei völlig vergessen. Manche mögen es einen Fluch nennen, andere haben gerade einen Blick auf ihre Lieblingsuhr geworfen und sind einfach nur glücklich.
Der erste Kratzer alias der Türrahmeneffekt
Ich hoffe, dass es hier nicht viele von uns gibt, die irgendwelche Tragödien erlitten haben. Verlust ist eine sehr schwierige Sache und ein Beweis für die Kraft und Komplexität des Menschseins.
Niemals wurde dies auch für scheinbar belanglose Dinge mehr demonstriert als mit dem ersten Kratzer: Der erste Kratzer auf einer Uhr ist wie die Szene in Bambi, in der Bambis Mutter stirbt.
Alles beginnt mit etwas, das nur als genetische Mutation im Gleichgewichtszentrum des Gehirns beschrieben werden kann, dem Teil, der dabei hilft, das stereoskopische Sehen in ein dreidimensionales Bild der Welt zu übersetzen: Räumliches Bewusstsein.
Vielleicht ist es etwas in der chemischen Zusammensetzung der Quittung eines Uhrenladens, denn kurz nach dem Kauf einer Uhr verschwindet jegliches Gefühl dafür, wie groß ein Türrahmen ist. Sie sind ihn schon eine Million Mal gegangen, bis Sie ihn mit Ihrer neuen Uhr ausprobieren und mit großer Wucht hängenbleiben. „Einrahmen“? „Einrammen“? Sparen wir uns die Wortspiele, immerhin ist es eine echte Tragödie.
Was ist das für ein komisches Geräusch?
Das Faszinierende an einer mechanischen Uhr ist, dass sie aus vielen Teilen besteht, welche zusammen zu einer mechanischen Symphonie erklingen.
Das Problem mit kleinen Teilen ist jedoch, dass je mehr es von ihnen gibt, desto mehr kann schief gehen. Eine mechanische Uhr ist ein Miniatur-Kraftwerk, ein verkleinerter Motor, der mit verhältnismäßig hoher Belastung arbeitet und daher anfällig für Störungen ist. Nun, nicht unbedingt anfällig – aber das kommt natürlich auf das Modell an.
Das Beste ist, ein Ohr offen zu halten und sicherzustellen, dass alles so klingt, wie es sollte. Das Problem ist, dass Klang und Erinnerung die Angewohnheit haben, nicht immer gut miteinander zu harmonieren.
Ziehen Sie eines Tages Ihre Uhr auf und – klang sie nicht schon immer so? Hat sie nicht zzzrrrrrr statt chrrrrrrr gemacht? Nie ist Paranoia so akut wie dann, wenn Sie mit angehaltenem Atem dem Geräusch eines Uhrwerks lauschen.
Die Chancen stehen gut, dass es absolut in Ordnung ist – wenn Ihr Gehirn nur eine Sekunde lang aufhören könnte, darüber nachzudenken…
Shots Magazin / Autor: Hessel Ruijgh / © Fotos: Greg Raines, Unsplash (1), Watchfinder (1)
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