Es war so ein Schlüsselmoment für absolute Coolheit. Irgendwann im Jahr 2000, ich sitze vorm TV und es kommt ein Video, das mich umhaut – und applaudieren lässt. DJ Tomekk, der DJ, der gerade mit Weltstars aus der Hip Hop Szene rumhängt findet in seinem Song „Ich lebe für Hip Hop“ Platz für die Erwähnung meiner Heimatstadt Minden. Okay, und meinetwegen auch von Curse, der sich in dem Song verewigt hat. Wie auch immer, ganz Minden feierte diesen verrückten Kerl. Tomekk setzte seinen Siegeszug fort und dominiert fortan die Charts mit seinen Produktionen. Er gehört zu den Wegbereitern des deutschen Hip Hop, der bis dato kaum über die fröhlichen Fantastischen Vier und den immer melancholischen Moses Pelham hinaus kam.
Unvergessen auch sein Überhit „Kimnotyze“ mit der Platin ausgezeichneten Rapperin Lil‘ Kim, die mehrfach folgenden Satz zum Besten gab: „Gib’s mir richtig, ganz egal wo.“ Dazu noch die Reibeisen Stimme von Trooper da Don. Ein Ohrwurm für die Ewigkeit war geboren.
Ein amerikanischer Superstar a la Lil‘ Kim intoniert in einem rotzfrechen, deutsch englischen Song eine der krassesten Lyrics, die bis dato in dieser Form über den Äther gingen. Alles für DJ Tomekk, der es als Weißer zwischen all den Farbigen beim Auswärtsspiel in der Heimat des Hip Hop geschafft hatte. Pure Anerkennung. Bis nach Itzehoe. Oder nach Los Angeles: denn da trafen wir uns 2008 zum ersten Mal.
Jetzt, viele Jahre und etliche Tracks später, treffe ich einen von Grund auf ehrlichen und in sich ruhenden DJ Tomekk (40) zum Gespräch. Ein Mann offener Worte. Hier ist das Interview.
Tomekk, du bist aktuell sehr stark im Gespräch und wöchentlich in mehreren Städten. Erzähl uns ein bisschen was dazu.
Korrekt. Ich bin auf Tour. Jedes Wochenede. Vielleicht das beste Preis- und Leistungsverhältnis in Deutschland? Naja, ich toure seit mehr als 20 Jahren Wochenende für Wochenende. Aktuell stelle ich meine neuen Tracks vor. Die dann als Platte im Herbst erscheinen werden. Vielleicht kommt zum Sommer hin noch eine Single. Auf jeden Fall sind meine Veranstaltungen bekannt für Eskalation und feinsten Hip Hop und R’n’B. Wie in den 1990er Jahren, als es um Spaß ging und einen richtig krass guten DJ, der geil scratchen kann. Ja genau. Das liebt mein Publikum und ich liebe mein Publikum.
Hat sich die DJ Branche seit deinem Start damals sehr stark verändert?
Ich denke schon. Früher wollte niemand DJ werden. Wer wollte sich schon die ganze Nacht die Beine in den Bauch stehen im Club? Heute gibt’s diese Titten DJ’s, die sehen geil aus und haben drei Millionen Facebook Fans. DJ Soundso eben. Für 3.000,- Euro am Abend (lacht). Nun, sie kommen und sie gehen. Auch sie haben wohl ihre Daseinsberechtigung. Bei mir liegt die Motivation nicht so sehr im finanziellen Bereich. Ich legte ja auch vor 25 Jahren für Kurtis Blow für Umme auf. So kann ich über Dekaden die Trends kommen und gehen sehen. Das Handwerk ist das gleiche geblieben. Immer gleich. Die Gesetzmäßigkeiten in dieser Welt verändern sich nicht. Oldschool. Alte Schule. Habe übrigens neulich mal Oldschool gegoogelt. Interessant.
Du hattest gemeinsame Projekte mit Weltstars. Wie kam der Sprung über den großen Teich?
Kurtis Blow nahm mich 1993 in die USA mit. Ich teilte mir einen Backstageraum mit LL Cool J. Vorgruppe war Run DMC. Public Enemy war mit auf Tour. Ich genoss meine Ausbildung in den USA. Ich denke, das hat damit zu tun, dass ich als Weißer ein Exot war. Deswegen war ich so ’ne Art Ausstellungsstück. Es war laaaaange vor Eminem und wir Weißen waren die krassen Exoten im Hip Hop. Für die Ausbildung in den USA bin ich dankbar. Hierzulande wird Hip Hop oftmals eigenwillig interpretiert. Aber ich hatte auch Erfolge mit Deutschen in den USA. Mit dem Berliner Paul van Dyk zum Beispiel wurden wir für einen „Grammy“ nominiert. Ich arbeitete unter dem Pseudonym „Atomekk Dogg“. Ich arbeite unter einigen Pseudonymen, wenn ich Dinge mal ausprobieren will. Das befreit vom Erfolgsdruck.
Wie hat es sich angefühlt, in der Homebase des Hip Hop so erfolgreich zu sein?
Es ist so: Als Weißer für lauter Schwarze zu spielen, ist irgendwie schon eigen. Alle Frauen finden Dich gut, alle Typen haten. Gucken schräg. Immer dasselbe. Ganz schön schräge Scheiße. Ich frage mich, ob sich alle Minderheiten so fühlen? Naja, ich war irgendwie schon immer Minderheit. Ich kam ja auch erst mit elf Jahren nach Deutschland. Sprach die Sprache nicht. Vielleicht setzte ich mich deswegen so für Minderheiten ein. Das ist ja auch der Grundgedanke des Hip Hop. Minderheiten Förderung sozusagen. Aber manchmal, ja manchmal haben die Leute einen Plan.
Von denen Props zu bekommen im Studio, auf der Bühne oder in der Presse. Das fühlt sich gut an. Die „Süddeutsche“ zum Beispiel war die erste Zeitschrift, die mich in Deutschland portraitierte. Die Grenzen verlaufen nicht mehr zwischen den Ländern, sie verlaufen zwischen den Menschen, die eigenständig denken und denen, die andere denken lassen. Hip Hop war ja mal eine Kultur, die nicht als erstes dem Mammon nachrannte. Ich lebe immer noch für Hip Hop und cruise immer noch gern durch die USA. Mit meinem, und darauf bin ich stolz, immer noch Freund Kurtis Blow. Der sich als Schwarzer einen Weißen DJ engagiert hat. Nicht unbedingt üblich. Weder damals noch heute. Wer stellt schon Minderheiten ein? Andererseits ist Minderheit zu sein immer Scheiße irgendwie. Mit der Zeit gewöhnt man sich dran. Ich suche mir selbst meine Peergroups.
Was war bisher dein absolutes, persönliches Highlight?
Letztes Jahr, zur Charity Platte, haben wir eine Party im Flüchtlingsheim organisiert. Als allererste Veranstaltung dieser Art weltweit. N24 wollte übertragen. Leider war es eine Benefizveranstaltung und wir haben die angesagten 4.800,- Euro für den Ü-Wagen nicht zusammenbekommen. Kommerziell gesehen: Die Grammy Nominierung für das Paul van Dyk Album. Vom Tänzerischen her: Meine Tanzeinlage im Lexy & K-Paul „Let’s Play“ Video. Persönlich: Das man mich in New York, Los Angeles und Kingston respektiert. Ja, das habe ich mir erarbeitet. War ja auch nicht immer einfach.
Hand aufs Herz: Was finden wir ganz privat in deiner Playlist?
Blümchen und MOP.
Deutsche TV Formate: Noch mal mitmachen oder sein lassen?
Gute Frage. Ich coache ja mittlerweile Teilnehmer für TV und Kino Rollen. Selbst mitmachen? Nur wenn klar ist, dass ich mich nicht mehr demütigen lassen muß. Ich mag keine Überraschungen. Neulich bekam ich eine Anfrage für „Sing meinen Song“. Ein wohl cooles Format. Da ich aber nicht wusste, wessen Song ich covern sollte, sagte ich schweren Herzens ab. In Vietnam hingegen habe ich einen Sitz in der Jury von „Vietnam sucht den Superstar“ angeboten bekommen. Das finde ich interessant. In Deutschland habe ich einfach schon auch alles gemacht. Da ist die Kohle dann auch egal. Da muss ich mich schon als Erstes dafür auch begeistern können.
Du bist stark auf Facebook und Instagram aktiv. Wie nutzt du diese Netzwerke für dich?
Ich versuche guten, also dem Leser nützlichen, Content zu bringen. Lieber mal ein bis zwei Katzenbilder weniger, dafür mit Formaten experimentieren. Ich erfinde gern Formate. #GedankenDesTages wurde zum Beispiel aufgegriffen von Ampya. Das machen wir in Kooperation. Meine Live Streams #ErsteRadioshowAufFacebook erreichen bis zu 100.000 Leute. Das ist zwar immer noch bedeutend weniger als Titten DJanes, dafür gibt es bei mir den Content und die coolere Mucke.
Gibt es Themen, für die du dich engagierst, die dir am Herzen liegen?
SelfCare. Dafür gibt es kein deutsches Wort. Meditation. Aufmerksamkeit. Um den Krieg draußen zu beenden, fangen wir mit dem Krieg in uns selbst an. Ich stehe für Achtsamkeit. Schreibe darüber. Das Gegengewicht zur Synapsenverbrennung durch Konsum gewissermaßen. Ich verfolge mehrere gemeinnützige Projekte auf unterschiedlichen Gebieten. Hauptberuflich arbeite ich für ein international agierendes US Non Profit Unternehmen.
Durch deinen Job und auch privat ist Mode wichtig für dich. Was sind deine Lieblingsmarken, was trägst du gerne?
DNGRS trage ich am liebsten. Diese coolen Jogginghosen mit Leder eingenäht. Dann denke ich immer, ich bin Kanye West. Klar. Gut gekleidet ist auch gut gelaunt. Meistens zumindest.
Was ist dein allergrößter Traum?
Dass wir Menschen lernen, uns zu ertragen. Gegenseitig und selbst. Um den Krieg draußen zu beenden, fangen wir innen an. Zugang zu Wasser für alle wäre auch ein Knaller. „Wasser ist kein Menschenrecht“ ist eine der krassesten Aussagen, die ich je von einem Menschen gehört habe. Deswegen meide ich Nestle.
Auf welche Autos stehst du? Hast du Benzin im Blut?
„Steig in den Wagen, zeig mir die Straßen, Ganxtaville wir rasen.“ Ist doch kein Zufall. Autofahren ist ein Lebensgefühl. Wichtig für mich als DJ ist natürlich das Soundsystem in einem Auto. Ein Bentley, da stehe ich drauf. Zweitürer. Schwarz. Auch die alten Siebener fand ich klasse. Ich selbst fahre einen deutschen Oldtimer. Volkswagen.
DJ Tomekk (40)
Home: djtomekk.com
Facebook: facebook.com/djtomekkofficial
iTunes: itunes.apple.com/de/artist/dj-tomekk
Fotos: shots.media
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