Kürzlich lernte ich auf einer Box-Veranstaltung Ismail Özen kennen und hatte die Gelegenheit, ein wirklich ausführliches Interview zu führen. Der Ex-Supermittelgewichtler, der mit Frau Janina Otto und Tochter in Hamburg lebt und im Sport mehr als den reinen Wettkampf sieht, spricht über seine beeindruckenden Sichtweisen zum Leben, zu Menschen, zur Familie und zu materiellen Dingen, wie hier zu lesen ist.
Bei dem Box-Event holten die von Özen geförderten Boxer Artem und Robert Harutyunyan übrigens die viel umjubelte Internationale Deutsche Meisterschaft des BDB. Ein guter Einstieg ins Interview.
Im Nachgang zu dem erfolgreichen Titelkampf: Welches Potential sehen Sie in den Harutyunyan Brüdern und was schwebt Ihnen für die Zukunft vor?
Die Brüder Artem und Robert Harutyunyan haben so viel mehr vorzuweisen als nur das Boxen. Ich kann das nicht beschränken auf die extrem eleganten Bewegungen im Ring und den perfekt platzierten Schlag. So wird man ihnen nicht gerecht. Das sind Sportler, die ganz genau wissen, warum sie in den Ring steigen und wofür sie kämpfen.
Die beiden sind voller Respekt und Bescheidenheit und außerdem sensibel für gesellschaftliche Anliegen. Ihre Beziehung zum Boxen ist nicht vom Geld geprägt. Sie üben einen Sport aus, an den sie glauben, den sie lieben und der für sie unverzichtbar ist. Jeder einzelne, von ihnen gesetzte Schlag folgt einem Ziel. Deutschland ist heute das Land, für das sie voller Stolz kämpfen. Das bedeutet aber nicht, dass sie vergessen hätten, woher sie kommen.
Weder haben sie die Schwierigkeiten und die Armut vergessen, die sie zurückgelassen haben, noch den Völkermord an den Armeniern von 1915. Gleichzeitig sind sie natürlich Erfolgsgeschichten für gelungene interkulturelle Eingliederung. Wenn man sich mit ihrer Lebensgeschichte befasst, dann wird das mehr als deutlich. Jedenfalls bin ich aus ganzem Herzen davon überzeugt, dass die beiden noch viele Erfolge feiern werden. Deutschland wird noch sehr stolz auf sie sein, denn sie haben noch große Ziele. Ich kann sagen, dass sie dem Weg eines Muhammad Ali folgen.
Welche Pläne haben Sie für Ihr Gym?
Wir arbeiten im Gym mit einem hochspezialisierten Team zusammen, wo jeder über eigene Kernkompetenzen verfügt. Natürlich wollen wir anders sein, als ein beliebiges Gym. Mir geht es nicht darum, einfach anders zu sein, sondern darum, dass ich ein Gym betreibe, das auch meinem eigenen Grundanspruch entspricht. Mein Gym soll wegweisend sein und auch eine Vorbildfunktion für andere haben.
Unser Angebot soll die unterschiedlichen Bedürfnisse ganz verschiedener Menschen ansprechen. Im Grunde genommen möchte ich das Gym so gestalten, dass Kinder, Frauen sowie Jung und Alt sich gleichermaßen wie zu Hause fühlen. Hier sind wir schon ziemlich weit gekommen. Allerdings bin ich noch nicht ganz an dem Punkt, den ich mir vorstelle. In Hamburg gibt es ein weitgefächertes Angebot an Fitnesscentern. Bei mir spielt natürlich auch die gesellschaftliche Dimension des Sports eine Rolle. Sport ist für mich zugleich soziale Aktivität, Gesundheit, Teilhabe und auch Lebenskultur.
Wenn der Sport zweckentfremdet wird, dann kann er missbraucht werden für Rassismus oder Fanatismus. Wird Sport aber um seiner selbst Willen betrieben, dann kann er einen extrem großen Beitrag zum friedlichen Miteinander und zum interkulturellen Austausch leisten. Letzteres ist das was wir brauchen. In dem von mir betriebenen Gym gehen Menschen ein und aus, die allen Kontinenten und den verschiedensten Kulturen entstammen. Die wünschen sich auch nichts anderes, als das was ich oben genannt habe. Ich möchte ein Gym gestalten, in dem das interkulturelle Miteinander erfolgreich gelingt. Das Wort Integration habe ich hier zwar bewusst gemieden, aber Sie können das von mir aus auch als Integration bezeichnen. Das macht für mich halt eine funktionierende Gesellschaft aus.
Mein Ziel ist einfach formuliert: Ich will einen Beitrag leisten für eine Welt, in der die Menschen einander die Hand reichen, in der Umwelt und Natur geachtet werden und das Recht eines jeden geschützt und der Frieden verteidigt wird.
Sobald ich mich aber so äußere, wird mir vorgeworfen, ich sei politisch. Wobei ich selbst das nicht als ein Problem erachte. Meine Kritiker möchte ich auch daran erinnern, dass letztlich die Politik dazu da ist, um Probleme zu lösen. Politik betrifft einfach jeden Lebensbereich. So gesehen ist eigentlich auch derjenige politisch, der von sich behauptet: „Ich bin unpolitisch.“
Sie sind auch ein starker Unterstützer sozialer Projekte, wie das bei „Kampf Deines Lebens e.V.“ der Fall ist. Worum geht es dabei?
Für 2019 haben wir uns ganz wichtige Ziele gesetzt. „Kampf Deines Lebens“ möchten wir entwickeln hin zu einer Stiftung, die nicht nur soziales Engagement unterstützt, sondern auch selbst Projekte gestaltet. Das ist das Eine. Die zweite Sache ist, dass wir mit „Kampf Deines Lebens“ einen Unterschied machen wollen. Derzeit arbeiten wir an wichtigen Projekten. Unser Engagement soll nachhaltig wirken.
Wir möchten in naher Zukunft einen Sportkongress ausrichten. Bei den Vorbereitungen dazu befinden wir uns im Endspurt. Das wird eines unserer ersten Events Anfang 2019 sein. Die Sportbranche durchläuft massive Probleme. Hierzu möchten wir Lösungsvorschläge erarbeiten, die wir der Öffentlichkeit, aber auch den Ländern und der Bundesregierung unterbreiten möchten.
Darüber hinaus arbeiten meine Frau Janina und ich weiter an unseren Projekten für Kinder. Gemäß einem UNICEF-Bericht für 2017 ist es so, dass weltweit alle fünf Sekunden ein Kind unter 15 Jahren ums Leben kommt. In den meisten Fällen sind Kriege und Armut die Ursache.
Allein in der Türkei befinden sich derzeit 700 Kinder in der Altersgruppe 0 bis 7 zusammen mit ihren Müttern in Haft. Ist das nicht erschütternd genug? Nur weil wir das Privileg haben, hier in Deutschland ohne nennenswerte Probleme leben zu können, bedeutet das nicht, dass wir angesichts dieser Realität Augen und Ohren verschließen und gleichgültig bleiben können. Ich will jetzt zwar an dieser Stelle noch keine Einzelheiten verraten, aber wir arbeiten aktuell auch an einem Filmprojekt.
Ein Freund und ich haben uns das Thema gemeinsam vorgenommen. Der Stoff beruht auf authentischen Ereignissen, die sich vor 80 Jahren so zugetragen haben. Aber in Wirklichkeit betrifft diese wahre Geschichte eben nicht nur die Vergangenheit, sondern setzt sich bis heute fort. Allerdings sind wir noch ganz am Anfang. Für mich eine Herzensangelegenheit, deren Erfolg ich mir sehr wünsche.
Ein viel diskutiertes Thema ist ja die Integration in Deutschland. Wie denken Sie darüber?
Integration ist eines der wichtigsten Probleme und zwar nicht nur für Deutschland, sondern auch für Europa und die ganze Welt. Und so wie es aussieht, wird sich das auch in naher Zukunft nicht ändern. Die Lösung ist schwierig, aber nicht unmöglich. Wie Sie wissen, gilt ja auch der Begriff der Integration mittlerweile als umstritten. Stattdessen wird der Begriff der interkulturellen Anpassung oder Eingliederung vorgezogen, was ich auch nicht für verkehrt halte.
Ich bin der Meinung, dass diejenigen Länder eine Zukunft haben werden, denen angemessene Lösungen für dieses Problem gelingen. Anders als früher ist es nun mal heutzutage so, dass die Menschen nicht mehr ihr ganzes Leben an dem einen Ort verbringen, an dem sie geboren wurden. Migration und Flüchtlinge sind auch Teil der Realität Deutschlands. Der einzige Weg ist, sich auch dementsprechend zu positionieren. Mit unserer Sichtweise wollen wir durch „Kampf Deines Lebens“ auch zur Lösung dieser Fragen beitragen.
Was hat sich in Ihrem Leben verändert, seit Sie Familienvater geworden sind?
Das ist die vermutlich schwierigste Frage überhaupt. Denn um das zu beschreiben, müsste man wohl jemand wie Günter Grass sein. Da ich aber nun mal so jemand nicht bin, wäre alles, was ich sage, unzureichend. In meinem Leben sind wundervolle Dinge passiert.
Ich habe jetzt meine Frau Janina an meiner Seite und meine Tochter Mara, die ich beide über alles liebe. Meine Frau Janina ist mein Frühling, sie ist die Würze und das Salz meines Lebens. Und unsere Tochter Mara strahlt uns jeden Tag an, wie eine Blumenwiese in Tausenden von Farben.
Was sind Ihre Lieblingsrestaurants in Hamburg und wo shoppen Sie am liebsten?
Jetzt erwarten Sie von mir zwar eine Auflistung von Namen, aber das kann ich nicht. Ich könnte Ihnen nicht mal einige wenige Namen nennen. Weder was Restaurants angeht, noch Boutiquen. Nicht, weil ich keine kenne, sondern weil ich entsprechende Locations schlicht nicht aufsuche.
Hamburg als Hafenstadt bietet natürlich den Vorteil, dass Sie hier die Küche fast aller Herren Länder geboten bekommen. Das ist wahrer Reichtum und ich genieße das auch. Aber wenn ich mal nicht zu Hause, sondern auswärts essen möchte, dann gehe ich eher nicht in luxuriöse Restaurants, sondern lieber in den kleinen Imbiss um die Ecke oder probiere Street Food aus.
Außerdem bedeutet Essen für mich mehr als einfach nur satt werden. Das ist auch eine Frage des Lifestyles. Und auch was das angeht, bin ich eigen. Ich halte mich vom Luxus fern, was wiederum meiner Seele gut tut. Angenommen ich würde in einem teuren Restaurant essen gehen. Wie sollte ich dann später auf der Straße den Leuten ins Gesicht sehen? Das könnte ich nicht, das wäre mir unangenehm.
Und beim Shoppen halte ich es letztendlich genauso. Ich gehe in das nächstbeste Geschäft und kaufe nur das, was ich brauche. Für mich geht’s da ums Prinzip.
Welche Automarke favorisieren Sie?
Deutschland hat die wichtigsten Automarken weltweit hervorgebracht. Das macht auch dieses Land aus, in dem ich lebe. Trotzdem muss ich sagen, dass Marken keine besondere Anziehungskraft auf mich ausüben. Angeberei oder Prahlerei habe ich schon immer abgelehnt. Natürlich gibt es Familien, wo gleich drei, vier Luxusschlitten vor der Tür stehen.
Ich persönlich lehne das aber ab und erachte das auch als Verschwendung. Dass einem echten Bedürfnis Rechnung getragen wird, hat für mich Priorität. Bei einem Auto ist mir wichtig, dass es sicher und umweltfreundlich ist. Und die Marken, die das bieten, sind für mich die Guten. Ich für meinen Teil kann auch komplett auf ein eigenes Auto verzichten.
Der ÖPNV ist sowieso das Beste. Außerdem kommt man so auch unter Menschen. Nicht zu vergessen, dass Hamburg auch ein echtes Verkehrsproblem hat. Daher mein Appell an alle: Denkt auch an die Verkehrssituation, wenn das nächste Mal wieder ein Autokauf ansteht, der über den echten Bedarf hinausgeht.
Web: ismailoezen.de | workyourchamp-gym.de | kampfdeineslebens.de
Fotos: Ismail Özen, privat (3), Getty Images (1)
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