Das nennt man einen Lauf. Denn Schaupielerin Odine Johne (29) ist zur Zeit überall im Gespräch. Mit ‚Agnes“ kommt gerade ihr neuer Film in die Kinos, sie hat einen „Tatort“ abgedreht und ein weiterer Film namens „Fünf Frauen“ feiert aktuell auf dem Filmfest in München seine Premiere. Dazu wird sie vom „Tagesspiegel“ oder „Die Zeit“ mit Lob überschüttet.
Einer der Gründe für diesen Run ist „Agnes“. Dort spielt Odine Johne unnachahmlich die Hauptrolle. Im Film geht es um die Begegnung eines Autors, gespielt von Stephan Kampwirth, und einer Studentin, die sich in der Liebe verfangen. Dafür wurde die Schauspielerin als beste Nachwuchsdarstellerin mit dem renommierten „Max Ophüls Preis“ ausgezeichnet. Zeit für ein Interview mit „Shots“ blieb bei alledem trotzdem. Hier ist unser Gespräch aus Berlin.
Erstmal Glückwunsch zum Nachwuchsdarstellerpreis. Wie fühlt sich diese Auszeichnung an?
Da habe ich mich sehr gefreut! Der Film hatte zwar in Amerika auf dem „Palm Springs International Film Festival“ seine Weltpremiere. Aber es war dann das erste Mal, dass „Agnes“ in Deutschland gezeigt wurde, Zuschauer, Kritiker und eben die Jury meine Arbeit gesehen haben. Das hat mich schon aufgeregt und es waren die ersten Reaktionen, die ich bekommen habe, die ersten Publikumsgespräche und dann eben diese schöne Auszeichnung auf einem Festival, das ich schon immer gerne mochte.
Deine Rolle der „Agnes“: Ein persönlicher Traum für Dich?
Ja, diese Rolle war eine tolle Herausforderung, weil sie soviele Gesichter hat, soviele Facetten, weil sie sehr eigen und nie ganz zu fassen ist. Ausserdem ist sie eine sehr unberechenbare, radikale Person, man weiß nie, was sie als nächstes tun wird. Und das ist ein Traum für einen Schauspieler, eine so vielschichtige Figur zu spielen. Zudem bringt eine Kinohauptrolle eine ganz andere Art zu arbeiten mit sich.
Man hat mehr Zeit in der Vorbereitung und auch während des Drehs, es finden vorab Proben statt, was beim Fernsehen leider selten ist. Und ich finde, so taucht man tiefer in die Welt ein, setzt sich intensiv mit dem Stoff, dem Regisseur und dem Spielpartner auseinander. Und auch wenn der Film schon fertig ist, begleitet man ihn auf Festivals oder zur Kinotour. Ich bin ist also noch länger involviert und mit der Arbeit verbunden.
Wie begann das mit dem Schauspiel bei Dir?
Ich stand das erste Mal mit zwölf Jahren vor der Kamera in einem Kurzfilm von Filmstudenten. Da spielte ich ein Mädchen, das schon gestorben war und ihrem Vater im Traum erscheint und ihn in den Tod holt. Daraufhin wurde ich immer wieder von Filmstudenten gefragt, in ihren Filmen mitzuspielen, lustigerweise oft für übersinnliche Rollen. Das Geisterhafte hing mir an, aber später dann auch für andere Rollen. Und beim ersten Dreh dachte ich: Das möchte ich gerne für immer machen! Ich habe mich dann lange nicht getraut, wirklich zu sagen, dass das mein Traum ist.
Erst nach dem Abitur musste ich mich dann wirklich entscheiden, bin nach Berlin gezogen und habe meinen ersten Kinofilm „Die Welle“ und einige Fernsehspiele gedreht. Dann lief es eigentlich sehr gut, aber trotzdem wollte ich mich weiter ausprobieren und habe mich dann an Schauspielschulen beworben und angefangen zu studieren. Was eine sehr gute Entscheidung war, um mich weiterzuentwickeln und auch im Theater auszuprobieren.
Und was stehen aktuell für Projekte an?
Jetzt steht erstmal die Kinotour mit „Agnes“ an, denn der Film läuft ab dem 2. Juni 2016 in den Kinos an. Ich reise in verschiedene Städte und bin zum Publikumsgespräch anwesend. Außerdem habe ich gerade einen „Tatort“ abgedreht. Der Kinofilm „Fünf Frauen“, den ich letzten Sommer in Südfrankreich gedreht habe, wird auf dem Filmfest in München seine Premiere feiern. Und was in der Zukunft ansteht? Nach dem Aberglaube der Schauspielerei redet man nicht über Projekte, die noch nicht gedreht wurden. Denn das würde Unglück bringen…
Wie war es am Anfang, im Rampenlicht zu stehen? Wie haben die Menschen auf Dich reagiert?
Also, das Rampenlicht wird ja gerade erst angeknipst. Manchmal haben mich früher auch schon Leute erkannt. Es waren immer sehr lustige Begegnungen, wenn mir auf der Straße jemand zurief: „Hey, Du bist doch das Schwesterchen aus ‚Brüderchen und Schwesterchen‘, ich habe Dich im Fernsehen gesehen!“ Oder: „Du warst doch gestern die Mörderin!“ Jetzt durch den Film „Agnes“ und den Preis gibt es mehr Aufmerksamkeit, Pressearbeit und so weiter.
Aber das macht mir auch Spaß, weil es da ja weniger um mich, als um die Arbeit geht. Und die war intensiv und darüber kann man sprechen. Sehr spannend finde ich die Auseinandersetzung mit dem Publikum nach den Vorführungen, denn dafür haben wir den Film ja gemacht, damit er gesehen wird. Und da „Agnes“ ein Film ist, der mit Realität und Fiktion spielt, also auch viel Raum für Interpretationen lässt, entstehen immer gute Gespräche.
Berlin: Was magst Du an der Stadt?
An Berlin mag ich, dass jeder so ein bisschen macht, was er will. Hier gibt es nichts, was es nicht gibt. Und dass es so bunt ist, gefällt mir. Ausserdem leben wir hier in einer Metropole, die trotzdem noch so schnoddrig ist und ihren eigenen Charme und so viel Unentdecktes hat. Überall Baustellen seit Jahrzehnten, alles ist noch am Entstehen, sich verändern, dagegen ist Paris ein Museum. In Berlin gibt es immer wieder Konzerte, spontane Parties an entlegenen Orten und – verglichen zu anderen europäischen Städten – ist es hier günstig zu leben. Dadurch entsteht Freiraum und Kreativität, da die Leute nicht durcharbeiten müssen, um überhaupt die Miete zu zahlen.
Und was sind dort Deine Hot Spots zum Essen oder Shoppen?
Es gibt eine schöne Pizzeria an der Spree in Rummelsburg, das „Casa di Legno“. Die Küche ist in einem umgebauten Bauwagen und man sitzt unter freiem Himmel an kleinen Tischen, ist umgeben von Natur, Wasser, und urbanem Charme, da am anderen Ufer die riesigen Vattenfalltürme in den Himmel ragen. Rund um den Böhmischen Platz in Neukölln, wo eine Tischtennisplatte steht, gibt es sehr charmante Cafés, wo man gut frühstücken kann oder abends ein Bier im „Rotbart“ trinken kann. Eine Kneipe, die immer lang offen hat. Shoppen gehe ich eigentlich gar nicht gerne. Was ich lieber mag ist, über einen der Berliner Flohmärkte zu schlendern oder auf Reisen etwas zu entdecken und mitzubringen.
Was sind Deine Lieblingsmarken, welche Label trägst Du gerne?
Für Veranstaltungen werde ich manchmal ausgestattet. Zum Filmpreis hatte ich ein sehr schönes Kleid von „Aigner“. „Escada“ hat mich für Pressetermine eingekleidet, die Farben gefallen mir immer sehr gut. Eine Berliner Label Entdeckung ist „Thoas Lindner“, ein kreativer Kopf.
Und was finden wir in Deiner Playlist auf dem iPod?
Ich höre gerne Oldschool HipHop, klassische Musik, alte Bluessongs, Johnny Cash, Radiohead, französische Musik, also eine sehr breite Mischung. Zur Zeit mag ich gerne die Band „Department Of Eagles“ und „TimberTimbre“. Und das Lied „Jewel King“ von „A Key Is A Key“.
Gibt es Themen, für die Du Dich engagierst, die Dir am Herzen liegen?
Ich habe letztes Jahr einen Film gedreht, ein Kammerspiel auf einem Boot, wo Vater und Tochter einen Maydayruf eines Flüchtlingsbootes bekommen. Und daraufhin sich ein Konflikt entspinnt, ob sie sich in Lebensgefahr begeben und mit ihrem Segelschiff zu den hundert panischen Menschen hinfahren oder niemanden retten und ihre eigene Sicherheit bewahren.
Für die Dreharbeiten habe ich viel zu diesem Thema recherchiert. Danach hat mich das so umgetrieben, die Situation, in der wir hier leben und wie wir mit Menschen umgehen, die hier ankommen und Hilfe brauchen, dass ich etwas tun wollte. Seitdem unterrichte ich Deutsch für Flüchtlinge, soweit es meine Zeit erlaubt. Diese Stunden machen mir immer große Freude, mit Menschen aus so unterschiedlichen Hintergründen zusammen zu kommen und sich zu verständigen, empfinde ich als große Bereicherung.
Hast Du Benzin im Blut? Magst Du Autos?
Ich kann zwar sehr gut Auto fahren, habe aber keinen Führerschein (lacht). Ich fahre öfter mal in Filmen und habe sogar schon einen Roadmovie gedreht… Gestern habe ich einen ganz alten blauen Mercedes gesehen, der würde mir gefallen!
Was ist Dein allergrößter Traum?
Mein größter Traum wäre, dass wir mit mehr Mitgefühl miteinander umgehen. Das fängt im eigenen Kopf an, in meinen Gedanken, die sich dann in Handlungen ausdrücken und geht bis in die Politik. Um unseren Wohlstand und unsere Lebensweise zu ermöglichen, leiden andere Menschen, werden Kriege geführt und Menschen ausgebeutet. Wir schreiben Menschenrechte groß, lassen aber auf der ganzen Welt die Leute unter unmenschlichen Bedingungen für uns arbeiten. Wir haben das Elend sozusagen ausgelagert, betreiben moderne Sklaverei. Und wundern uns, wenn diese Menschen an den Pforten Europas anklopfen.
Es gibt mit slaveryfootprint.org eine Seite, bei der man detailliert seine Lebensweise angibt und die berechnet, wieviele „Sklaven“ für einen dafür arbeiten müssen. Im Schnitt arbeiten 50 „Sklaven“ für einen ganz normalen Menschen im Westen, der Smartphone und Computer besitzt und bei den gängigen Klamottenfirmen einkauft. Wir blenden das aus. Mein Traum wäre, dass wir das ändern, dass niemand mehr in Elend leben muss.
Soll die Welt noch etwas von Dir wissen?
Ja. Aber lieber durch viele spannende Rollen, Filme und Projekte.
Odine Johne (29)
facebook.com/odine.johne
8-einhalb.de
Fotos Niklas Vogt (6), Pierre Johne (1)
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