Bekanntlich ist alles, was Spaß macht, entweder illegal, unmoralisch oder macht dick. Die jetzt in Schottland der Presse vorgestellten neuen Porsche-718-Modelle, der Sportwagen Cayman GT4 und sein als Cabriolet mit einem Stoffdach versehener Zwillingsbruder Spyder, strafen dieses Vorurteil zum Glück richtig Lügen.


Doch mit einer vernünftigen Methode der Mobilität haben die Mittelmotor-Zweisitzer so wenig zu tun wie Giacomo Casanova mit der Enthaltsamkeit. Das räumt auch Porsche selbst ein, wo es heißt, dass es sich bei beiden Autos um etwas „vollkommen Unvernünftiges“ handele. Der eine, der Porsche 718 Cayman GT4, ist laut Selbsteinschätzung „der perfekte Sportwagen für alle, die gern am Limit unterwegs sind“.

Den anderen charakterisieren die Zuffenhausener als „ein Ausrufezeichen in einer Welt voller Konjunktive“ und ein Versprechen an jede Straße und an alle Fahrer. „Denn hier kommt ein Roadster, wie es ihn so kein zweites Mal gibt.“ Wäre auch jammerschade, wenn Autofahren nur zweckmäßig zu sein habe und keine Glückshormone mehr erzeugen dürfte.

Porsche 718 Cayman GT4
Porsche 718 Cayman GT4

Wie auch immer: Der GT4 ist zum Rasen auf der Rennstrecke, der Spyder für das Reisen in blühenden Landschaften bestens gemacht. Nordwestlich der schottischen Hauptstadt Edinburgh, dort wo die Highlands beginnen, ein Getränk namens „Uisge Beatha“ (schottisch-gälisch für Lebenswasser), besser bekannt als Whisky, und der Dudelsack zu Hause sind, gab es erste Gelegenheit zum Hautkontakt mit beiden.

Der 718 Cayman GT4 wartete am etwas über zwei Kilometer langen schottischen Motorsport-Zentrum Knockhill Racing Circuit auf seinen Einsatz als Versuchsobjekt, sein Bruder mit dem Stoffverdeck in Pitlochry inmitten der Grafschaft Perthshire in den Highlands. Gemeinsames Herzstück beider Modelle ist der neue 4,0 Liter 6-Zylinder Boxer, ein Aggregat für Puristen. Turbo und Automatikgetriebe?

Porsche 718 Cayman GT4
Porsche 718 Cayman GT4

Nix da. Der Saugmotor basiert auf der gleichen Motorenfamilie wie die Triebwerke der aktuellen 911 Carrera Baureihe, kommt ohne Aufladung aus, ist mit einem manuell zu bedienenden 6-Gang Getriebe kombiniert und bringt es auf ein Drehzahlmaximum von bis zu 8.000 Touren.

Seine 420 PS haben mit den rund eineinhalb Tonnen Gewicht – ein PS ist für nur 3,5 Kilogramm zuständig – leichtes Spiel und katapultieren sowohl Cayman GT4 als auch Spyder in 13,8 Sekunden aus dem Stand auf 200 km/h. Im Cabrio ist bei 301 km/h das Ende der Fahnenstange erreicht, der geschlossene Cayman schafft sogar noch drei km/h mehr.

Porsche 718 Cayman GT4
Porsche 718 Cayman GT4

Da kommt Furcht oder Freude auf. Je nachdem, wo das Auto unterwegs ist und wer am Steuer sitzt. Der Knockhill Racing Circuit ließ trotz seiner zwei relativ langen Geraden solche Geschwindigkeiten glücklicherweise nicht zu, die schmalen Sträßchen in den Highlands schon von Gesetz wegen auch nicht.

Derartige Werte weit jenseits doppelter Autobahn-Richtgeschwindigkeit verlangen nach hoch effizienter Aerodynamik, einem vollwertigen GT-Fahrwerk und kraftvoll zupackenden Bremsen. So ist Porsche besonders stolz auf das umfassend verbesserte Aerodynamikkonzept des 718 Cayman GT4. Es produziert bis zu 50 Prozent mehr Abtrieb, ohne den Luftwiderstand nachteilig zu beeinflussen.

Porsche 718 Spyder
Porsche 718 Spyder

Dabei profitiert die Aerodynamik – auch beim 718 Spyder – von dem neu konstruierten Endschalldämpfer: Er schafft im Heck nun Platz für einen Diffusor, auf den beim 718 Cayman GT4 gut 30 Prozent des Hinterachsabtriebs entfallen. Ein größerer Wirkungsgrad zeichnet auch den feststehenden Heckflügel aus: Gegenüber dem Vorgängermodell produziert er ein Plus an Abtrieb von rund 20 Prozent. Das entspricht einem zusätzlichen Anpressdruck von zwölf Kilogramm bei 200 km/h.

Was das Fahrwerk angeht, so darf jetzt auch der Spyder auf den Beinen des großen Bruders stehen. Sie erlauben überragende Kurvendynamik und wecken mit Rennsport-Technik große Emotionen. Das Fahrwerk ist speziell für den Rundstreckeneinsatz ausgelegt und verschafft dem Cayman Fahreigenschaften, die mit den oftmals verwendeten Floskeln „liegt wie ein Brett auf der Straße“ oder „geht durch Kurven wie auf Schienen“ vollkommen unzureichend beschrieben sind.

Porsche 718 Spyder
Porsche 718 Spyder

Auch der 718 Spyder profitiert von dieser Auslegung. Das Porsche Stability Management PSM arbeitet hier noch sensibler und präziser, lässt sich wahlweise aber auch in zwei Stufen deaktivieren. Porsche Torque Vectoring (PTV) mit mechanischer Hinterachs-Quersperre verbessert die Längs- und Querdynamik, die Kurven-Performance und den Fahrspaß zusätzlich. Für den GT4 steht außerdem ein optionales Clubsport-Paket zur Verfügung. Es beinhaltet einen rückwärtigen Überrollbügel aus Stahl, einen Handfeuerlöscher und einen Sechspunktgurt für die Fahrerseite.

Die Hochleistungs-Bremsanlage von Spyder wie Cayman GT4 soll laut Porsche mit großen Aluminium-Monoblock-Festsattelbremsen für konstante und rundstreckentaugliche Verzögerungswerte sorgen. Optional steht auch die Porsche Ceramic Composite Brake (PCCB) zur Wahl. Neu ist, dass jetzt auch der 718 Spyder auf speziell von Porsche abgestimmten UHP-Reifen (Ultra-High-Performance) rollt.

Porsche 718 Spyder
Porsche 718 Spyder

Sie sind Teil des Gesamtpakets, das den 718 Cayman GT4 auf der Nürburgring-Nordschleife zu neuen Bestwerten beflügelte: Auf dem 20,6 Kilometer langen Traditionskurs sank die Rundenzeit gegenüber dem Vorgängermodell um zwölf Sekunden. Fehlt noch der Blick nach innen: Fahrerin oder Fahrer im Zweisitzer blicken auf gut ablesbare und Porsche-typische Rundinstrumente. Auffällig ist der auf der Mitte oberhalb des Armaturenbretts platzierte Drehzahlmesser.

Der verkürzte Schalthebel trägt eine „718“-Plakette. Die Zierblenden der Mittelkonsole, Schalttafel und Türen werden in Karosseriefarbe lackiert. Das Porsche Communication Management (PCM) mit 4,6 Zoll Farbbildschirm, Handy-Vorbereitung und Audio-Schnittstellen ist werksseitig an Bord. Um Gewicht zu reduzieren, kann es auch entfallen. Die Schalensitze geben normalgewichtigen Gesäßen perfekten Halt, Wohlstands-Hinterteile könnten Platzangst bekommen.

Und noch eine Kleinigkeit gibt Anlass zum Meckern: Aus Gewichtsgründen verzichtete Porsche beim 718 Spyder auf einen vollautomatischen Verdeckantrieb. Das erfordert etwas Fummelei und die weibliche Cabrio-Kundschaft wird mit dem Bruch so manchen Fingernagels rechnen müssen.

Ansonsten fällt das Fazit für beide Modelle so aus, wie bereits in der Überschrift angedeutet. Es handelt sich um herrlich unvernünftige Zwillinge. Nur für den Geldbeutel sind sie nicht die reine Freude. Aber man gönnt sich ja sonst nichts…

Shots Magazin / © Fotos: Auto-Medienportal.Net, Porsche / Quelle: ampnet, hrr

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Rubriken: Motor