Jeep hat sich in seinen zivilen Baureihen längst zu einem Sportgerät für Geländewettfahrten, aber erst recht zu einem Begleiter entwickelt für echte Abenteurer und solche, die es schon immer werden oder so wirken wollten. Jüngster Spross der Familie der echten Jeep-Nachfahren ist der Jeep Wrangler, der 2018 seine Premiere erlebte.
Die Redakteure von „Auto Motor und Sport“ stellten kürzlich fest, dass der Jeep Wrangler bei den Influencern auf Instagram zwischen dem BMW M3 und dem Chevrolet Camaro auf Rang fünf der beliebtesten Autos liegt. Was also verschafft einem so alten Konzept selbst bei Social-Media-VIP’s einen derart emotionalen Bonus, obwohl er doch auf einen Europäer überwältigend wirken muss? 4,88 Meter Länge und vor allem die Höhe von 1,84 Meter flößen Respekt ein.
Bei diesem Auto liegt die Betonung des Wortes „einsteigen“ auf den Silben zwei und drei, auf „steigen“. Kleingewachsene nennen das Klettern.Da oben wird einem als Europäer bewusst, warum die Amerikaner den umbauten Raum auch beim Auto lieben. Auch der breiteste Fahrer wird sich um die Schultern nicht beengt fühlen, eher die Breite der Mittelkonsole bemängeln, weil sie so viel Distanz zum Nebenmann schafft. Bei allen Insassen stellt sich rasch ein Gefühl von Luxus und Leder, vor allem aber Sicherheit ein, so als sei der Wrangler gepanzert gegen den Rest der Welt.
Für Distanz tragen auch die vergleichsweise kleinen Glasflächen und die massiven Holme rundum bei. Aber das Gefühl, vor denen sicher zu sein und sich ihnen gegenüber ruhig einmal etwas herausnehmen zu können, stellt sich schon beim ersten Blick in das typische Jeep-Gesicht mit den runden Scheinwerfern und den sieben senkrechten Stäben vor dem Kühler ein.
Rechte Winkel, viele Ecken, klare Kanten und massive Scharniere überall suggerieren Solidität, Wucht und Macht. Ein echtes Auto also, ohne den ganzen technischen Schnickschnack für die Weicheier, die sich von ihrer Elektronik fahren lassen. Beim Jeep ist Fahren noch Handarbeit, so scheint es. Und der Fahrer fühlt sich mit seiner Einschätzung bestätigt, wenn er bei hohen Geschwindigkeiten mit dem Geradeauslauf ringt und der Fahrtwind die Karosse ohrenbetäubend umtost.
Wer dann die Gebärdensprache beherrscht, ist klar im Vorteil. Aber so ein Urviech ist der Wrangler gar nicht. Denn unter all dem martialischen Äußeren steckt eine Menge an Elektronik: Infotainment, Konnektivität, Fahrer-Assistenzsysteme, Bildschirme. LED-Scheinwerfer – alles an Bord. Dafür muss sich niemand schämen, solange er den Imbusschlüssel einzusetzen weiß und bereit ist, Zeit in den Rückbau seines Wrangler in einen Geländeroadster einzuplanen, wenn auch nur theoretisch und vielleicht später einmal.
Gut zu wissen, dass das möglich ist und man sich nicht immer auf die beiden Luken über Fahrer und Beifahrer beschränken muss. Auch gut zu wissen, dass der Wrangler im Gelände seinesgleichen sucht. Da können nicht viele mithalten, sagen das Markenimage und die Kollegen, die es wissen müssen. Wir verzichteten auf den Ausritt, ließen die Geländesysteme also unberührt, auch wenn sie uns noch so spektakuläre Erlebnisse versprachen. Wir gingen einfach davon aus, dass es dem normalen Wrangler nicht anders geht als anderen seiner Art: Gut zu wissen, dass sie könnten.
So sind sie, die Amis. Und nicht nur die. Jenseits des Atlantiks dürfte unser Wrangler-Exemplar vermutlich in den meisten Fällen nur ein müdes Lächeln ernten – nix Benziner mit fünf Litern Hubraum. Die Verbindung zwischen Chrysler, Jeep und Fiat hat auch diesen Ur-Ami domestiziert. Neuerdings lässt er sich sogar während der Fahrt von Allrad- auf Hinterradantrieb umschalten. Wer hätte das von einem Jeep gedacht.
Wir fuhren ihn mit dem 2.2 Liter Vierzylinder Diesel aus dem Hause Fiat und waren sehr erfreut zu erleben, dass sich die vier Zylinder in dem Acht-Zylinder Motorraum von dem Schwergewicht von gut 2,2 Tonnen nicht überfordert fühlten. Die 200 PS und das Drehmoment von 450 Newtonmetern reichen immerhin für einen Spurt unter zehn Sekunden von 0 auf 100 km/h und eine Höchstgeschwindigkeit von 180 km/h. Wer die zu oft erleben will, der wird mit dem Durchschnittsverbrauch von 7,9 Litern auf 100 Kilometern natürlich nicht auskommen, sondern selten unter zehn Litern bleiben.
Aber die schnelle Gangart ist beim Wrangler eben nicht die bevorzugte. Das können die dicken amerikanischen Motoren besser, aber nicht billiger und nicht mit der aktuellen Abgasvorschrift Euro 6d Temp. Seinem Urahnen Willys sagt man nach, er habe gestunken, schon weil er im Gelände bis zu 40 Liter geschluckt habe. Was geht’s uns doch gut. Wir können einen Wrangler mögen, fast ohne schlechtes Gewissen.
Wegen der eingehaltenen EU-Norm kann er noch nicht einmal aus der Stadt verdrängt und ins Gelände verdammt werden. Das wäre auch schade, denn – laut Instagram-Ranking – eignet er sich offenbar auch hervorragend für die Promenade und sein erstaunlich kleiner Wendekreis von weniger als zehn Metern steht dem nicht im Wege. Dieses Urviech ist handzahm.
Fotos: Auto-Medienportal.Net, Jeep / Quelle: ampnet, Sm
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